HEIDELBERG

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Internat in heidelberg, 1971..  Neckarmünzplatz, am ufer, ich schau flußabwärts; geruch der dunkelheit, wellen schlagen an die mauer, fetzen von tönen über's wasser – ein letzter kahn rauscht vorbei; leise, noch dunkler als alles andere, nur die positionslampen zu sehen; – ganz allein zu sein, bedrückt nicht. Als hätte ich für kurze zeit mein ICH im fluß versenkt, in der heidelberger nachtluft, – ein gefühl über alle grenzen hinweg..

In der platzvollen "bembel" (die heidelberger straßenbahn) werden die gelder durch den ganzen wagen gereicht  bis zum fahrer, karten und rausgelder laufen wieder zurück über die kette einander unbekannter.. "Beautiful people.." hat melanie gesungen –

Blick aus meinem fenster im internat (ziegelhäuser landstraße 63, VILLA STRAUSS) – plötzlich kommt die sonne durch: auf den hof, die straße, den neckar, angler auf dem pontonsteg; – drüben am königstuhl noch immer ein rest nebel, der sich in den bäumen verfangen hat..

Die West Side Story aus einem offenen fernster in gaiberg. Heidelberg 11 km. Trockener mund, keine quelle, zu geizig, was zu kaufen.  – Plötzlich ein paar sauerkleeblätter! Hab einen vorrat mitgenommen. Irgendwann, du hast nichts von dem zaubertrick gemerkt, schaust du nach links runter und zuckst zusammen, – da liegt die stadt, DIE STADT, heidelberg; es scheint, als könntest du runterspringen, – und alles ist wieder gut. Ein festmahl aus 3 sauerkleeblättern würdigt den augenblick und – sollte es auch noch stunden dauern: eigentlich bin ich schon wieder zuhause! Die autokarawanen der wochenenden.. – aber auch das ist heidelberg. Am klingenteich komm ich raus.. – die alten bäume, – am liebsten würd ich schon heute in einen dieser hinterhöfe ziehen; – türme übereinander geschichteter küchenbalkone, mülleimer, dreiräder drauf abgelagert, wäscheleinen.. Spielzeug, alte kommoden..

– – – – Auf dem balkon, im herbst.. – unendlich weicher talwind, kalte schauer dazwischen; drüben der herbstwald, – irrsinnig viele farben, weil's doch verschiedenste, oft exotische bäume und sträucher sind, die an die hänge gepflanzt wurden, nachdem die reblaus fast alle heidelberger weinstöcke zerstört hat, – damals, vor hundert jahren. Heidelberg gehört zu den bergen, zum horizont, ist verwachsen mit allem drum herum; genau das macht die geborgenheit aus, die die stadt gibt. – – Regen nachts auf dem schloß, wenn ich unsern geheimen weg hochsteige, naß & glücklich & allein wie ein baum..

Nachmittags mit jim in der stadt, seine neue brille kaufen; er trägt den lila schlapphut und horstis grüne jeansjacke, die ihm viel zu eng ist, aber er liebt sie, wie er horsti geliebt hat – der so wie der wind war, daß seine jacke, wenn die nur allein in einem zimmer hängt, den raum noch immer zu was besonderem macht für uns. Ich mit der abgeschabten blauen jeansjacke & der hand auf seiner hüfte; natürlich halten alle uns für schwul und ich platze mal wieder schier vor stolz. Die hauptstraße entlang laufen, auf'm mäuerchen sitzen vor'm bunsendenkmal, in den kleinen läden rumgucken – auch im ALI BABA waren wir mal wieder (liebes ALI BABA!), am neckar natürlich..

"Wenn jetzt abend wär, könnten wir ins HARD ROCK CAFE gehen", meint er; – " ich geh da manchmal hin.."

" Weißte noch – – ?"

"Na klar."

Auf der engen, kopfsteingepflasterten heidelberger hauptstraße fuhren damals (1971–73) noch autos; dazu kamen die touristen, die aufgrund der extrem schmalen gehwege schritte auf die straße wagen mußten – denn auch die straßenbahn fuhr dort, zweispurig, meist im schrittempo und unter dauerndem geklingel. Automatische türen gab es noch nicht; oft saßen jugendliche während der fahrt in den offenen türen. Wenn dann zu bestimmten zeiten pulks von internatlern fuhren, empfanden wir die straßenbahn natürlich als internatsterritorium..

Heidelberger samstagabende im sommer: Die autos der heidelberger kriechen in langen kolonnen in die stadt rein, die autos der amis kriechen raus aus der stadt, in die patrick henry village (nach dem schloßfeuerwerk oder sie waren in den kneipen). Manchmal machen internatler vom balkon aus wettspucken auf die autos runter..

Das waren die jahre um studentenbewegung, RAF, bewegung 2. juni; – heidelberg ist eine schnittstelle für manches.. Sozialistisches Patienten–Kollektiv (SPK), Release (drogenhilfe durch ex–user), Free Clinic, US–headquarters, werner piepers Grüne Kraft, klaus staeck, Indianerkommune. – Michael buselmeier schreibt in 'Der Untergang von Heidelberg' (auch) über diese zeit. (Und ich in "WIR INTERNATLER")

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 Wieder in heidelberg, 10 jahre später: Ich sitz in der hauptstraße auf'm mäuerchen am bunsendenkmal, hab absolut keine lust, irgendwas zu tun, spüre den unterschied zwischen leben in heidelberg und tourist sein in heidelberg. Wenn ich in den letzten jahren immer mal für ein paar stunden hier war, bin ich wie wild durch die gegend gerannt, hab versucht, möglichst viel mitzukriegen, mitzunehmen. Jetzt bin ich einfach da.. Viel ruhe und selbstverständlichkeit; – mir scheint, die leute haben leichtere, frohere gesichter als in wuppertal.

Im landgericht drin steht in einer treppenhaushalle noch immer eine der schönsten ungegenständlichen plastiken heidelbergs – aber keiner kennt sie, keiner sieht sie. Von brigitte & martin matschinsky-denninghoff. Die hatte ich entdeckt, als wir mit der schulklasse in einer gerichtsverhandlung waren – und sie nie vergessen. (Auch 2009 ist sie noch da, aber jetzt bauen sie das justizzentrum neu; was wird dann damit werden?)

Dicker nebel über der stadt, in der stadt, im tal, kaum seh ich drüben die berge, regen seit gestern, – aber in heidelberg kann der regen mir nicht feind sein. Er rinnt in die stadt & sie nimmt ihn auf genauso, wie er in die felder rinnt, wie diese stadt in die wälder, in's tal geronnen ist. Drüben im tal ziehen am wald hoch die nebel nach dem regen. So ist heidelberg.

Abends um 9 ist die hauptstaße noch straßenfestvoll; daß es meist touristen sind, stört mich nicht. Verschiedene menschen sind es, ich bade in gesichtern, kostümen, blicken, – viele facetten von lebendigkeit. Schon längst fahr ich nicht mehr mit bembel und bus zwischen arbeit und wohnung; – jeden tag geh ich die 45 minuten bewußter durch die straßen, wächst das heutige heidelberg ein bißchen mehr in mich rein, verschmilzt sacht mit dem heidelberg von damals. Als ich immerhin den halben weg vom internat in die schule zu fuß ging: den leinpfad entlang – die hauptstraße runter – zum bismarckplatz – rüber zum seegarten, damals wurde dort eingestiegen: die rohrbacher staße runter mit der bembel. Jetzt geh ich morgens zuerst die dunklen bürgerhäuser der weststadt entlang, dann diesseits der hauptstraße die altstadtgassen hindurch, die plöck, zur zwingerstaße. Auf der hauptstraße ist frühmorgens lieferantenverkehr, da durchzugehen, macht mir nur manchmal spaß; – dann der faule pelz und der alte uniplatz, der von vorne ziemlich trostlos wirkt: von hinten ist er schön, da atmet er! – Rechts oben taucht das schloß auf – alles wacht erst noch auf. Viel ausruhen liegt in diesem weg..

Alfred weber hat hier gelebt (max weber natürlich auch), – amadé mozart ist hier rumgelaufen und hat orgel gespielt in der heiliggeistkirche; bettine brentano war hier ein bißchen zuhause.. und thieß auch, mein damals noch gedichte schreibender großvater, der arzt werden wollte, bis er kein geld mehr bekam von seinem vater und zuletzt doch landwirtschaft studieren mußte, wie das so üblich war in diesen kreisen.

Später die wohnung in der hauptstraße (116); märzgasse – sandgasse – kettengasse – plöck: die alten namen, noch immer märchenhaft verwunschen. Heimat. Mein schulweg, 2 ewige jahre lang. Schräg gegenüber haben brigitta und ulli, christoph und andere die INDIANERKOMMUNE gegründet, bevor sie nach nürnberg gingen. Blick aus dem fenster über die ineinander verwachsenen dächer der plöck bis zur alten jesuitenkirche; samstag 18 uhr, ihre glocken klingen, das schönste geläut in der stadt! Da kommt neben mir eine dicke katze gravitätisch das dach runter –  wie in einem märchen von andersen!

Mitte oktober, septembersonne. Hier könnte ich 12 stunden auf einem fleck sitzen. An der neckarwiese, hinter mir, jenseits der mauer, die autos auf der handschuhsheimer landstraße; – links die alte brücke, vor mir (über den fluß) die heiliggeistkirche, daneben die jesuitenkirche  – –  Den wald hoch geht der blick, möwen am wolkenlosen himmel. Sitzen & gucken, das würde mir nie zuviel, hier. Mein heidelberg. Von links grüßt pallas athene..

(In diesem heidelberg von 1981/83 entstand mein tagebuch "…wenn wir uns alle wiederfinden".)

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 Die fotos (von petra & mondrian) entstanden bei einem besuch im jahr 2009.

* Vergrößern durch Klick ins Vorschaubild! *

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© für die fotos: Mondrian v. lüttichau & petra bern