Jim Morrison: THE LORDS - DIE HERRENGÖTTER

Bereits im juni 1968 wollte jim morrison (1943 - 1971), der berühmte sänger der DOORS, sich von seiner band trennen; er ließ sich zur weiterarbeit überreden. 1970 gelang ihm der absprung; mit seiner lebensgefährtin pamela courson ging er nach europa.

Im mittelpunkt seiner kreativität stand seit jeher eine poetisch aufgeladene sprache. Die suche nach filmischen gestaltungsmöglichkeiten kam bald dazu. Einige zeitzeugnisse belegen, wie er sich bereits während seines studiums der film- und theaterwissenschaften (1964 - 65) atemlos & gierig bildung und erkenntnisse an land gezogen hat. THE LORDS (zuerst veröffentlicht 1969 als privatdruck) ist zweifellos ein von jim bewahrter rest dieser notate. Dort hat er gesellschaftliche zusammenhänge betroffen für sich selbst entdeckt und versucht, das mosaik seines theoretischen (auch kritischen) nachdenkens über soziale realität und künstlerische möglichkeiten darzustellen. Heute können wir die arbeit als brückenglied und schlüsseltext lesen, denn sie vermittelt seinen endgültigen schritt ins eigene, den übergang vom suchen zum finden, vom sammeln zum gestalten.

Eine konsistente ausführung seiner grundlegenden theoretischen und konzeptionellen gedanken und asssoziationen war dem autor zu diesem zeitpunkt noch nicht möglich. So ist THE LORDS - von der äußeren form her - kaum mehr als ein grobes gerüst aus beobachtungen & anmerkungen, ein exposé, aus dem ein buch hätte werden können - aber auch ein film. Hilflosigkeit beim leser, mehr noch beim übersetzer, ist aus dieser unzulänglichkeit heraus unvermeidbar. Widersprüche, nicht durchgehaltene darstellungsebenen oder gedankensplitter übersetzen zu wollen, wird entweder auf kosten der verständlichkeit oder der übersetzungstreue gehen. Für jede einzelne wendung ist aus neue abzuwägen zwischen diesen kriterien.

THE LORDS lag bisher zweimal auf deutsch vor. Beide übertragungen werden dem text kaum gerecht. In mehreren anläufen entstand seit 1975 meine eigene übertragung. Sie erschien zunächst 1984 in berlin, als privatausgabe im damaligen selbstverlag Autonomie & Chaos. Für die vorliegende neuausgabe 2018 wurde die übersetzung durchgesehen; einige abbildungen kamen dazu.

Jim war fasziniert von der macht, die jedem auf der bühne, auf der leinwand zugebilligt wird von den zuschauern, - und zugleich hat er erschrocken und betroffen die auswirkungen einer solche arbeitsteiligen lebendigkeit beobachtet. Die inhaltliche prägnanz und spannung, mit der er dieses problem in seiner ganzen ambivalenz zusammenbaut, gleicht die schriftstellerischen mängel bei weitem aus für jeden, der sich ernsthaft damit auseinandersetzt.
Jim morrisons notizen über uns, die wir vom mad body dancing on hillsides verwandelt worden sind in a pair of eyes staring in the dark, kamen 1971 zu mir, und sie werden mich wohl zeitlebens begleiten; denn um diese ganz und gar tragische metamorphose von gesellschaft und menschlichkeit geht es mir & uns, - und sie schreitet fort.

Mittlerweile sind mehrere bände mit texten jim morrisons auch auf deutsch erschienen, daneben wichtige interviews mit ihm, sekundärliteratur und dokumentarfilme. Als wir (gise & ich) 1976 sein grab in paris besuchten, war es nur die verschmuddelte rückseite eines anderen grabmals; ein friedhofswärter wies uns den weg. Mittlerweile gibt es dort einen ordentlichen grabstein und eine fülle von besucherInnen sowie mediale aufmerksamkeit an jedem geburtstag und todestag. Vergessen ist jim morrison offenbar nicht … das tröstet und gibt hoffnung, daß von ihm nicht nur die platten der Doors übrigbleiben werden - so atemberaubend und durch nichts zu ersetzen diese musik ist.

THE LORDS. NOTES ON VISION ist ein nachlaß von jim morrison, der von den DOORS weggegangen war, um die nächsten räume  seines eigenen lebens zu finden. Diese textcollage war 1968/69 jim morrisons erster schritt über die zeit des sängers, songschreibers, des musikstars hinaus. Rückblickend läßt sich THE LORDS lesen als kommentar zu den erfahrungen, die jim bis 1969 als sänger der Doors mit der medialen und physischen öffentlichkeit gemacht hatte. Es war der allererste schritt seiner kritischen auseinandersetzung mit der grundlegenden und progressiven entfremdung und verdinglichung, mit der janusköpfigkeit des films (als kunstwerk oder konsummedium) - themen, über die zu jener zeit erst von wenigen kritisch nachgedacht wurde. , Heute, auf dem hintergrund der elektronischen, digitalen, interaktiven medien, ist es geradezu ein modethema.

Aber diese textcollage ist zugleich ein dokument seiner suche nach vitalen verbindungen zwischen texten, musik, kino, bild, inszenierung und sozialem leben - auch darin war jim seiner zeit voraus. Vermutlich hätte er als einer der ersten künstler mit den möglichkeiten der digitalen technik gearbeitet - im bemühen, wahrhaftigkeit, authentiziät, wahrheit anzunähern durch unwahrheit, entfremdung, verdinglichung hindurch.
Nicht zuletzt geht es in THE LORDS um das ewige thema: kunst oder leben? Ist kunst tieferes, autentischeres, dichteres leben - oder ist sie ein gegenpol zum leben, führt sie weg von authentischem leben?

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