R. Gilbert-Lecomte/ M. Henry/ R. Daumal: LE GRAND JEU (1928-32)

Eine auswahl

1924. Einige 16- und 18jährige franzosen gründen die Gruppe der Simplisten. Es geht ihnen um fragen, die sich jeder von uns stellt, bevor er in pseudo-gewißheiten zur persönlichkeit erstarrt: Was ist ich? Was ist identität? Was ist der tod? Was begrenzt der körper? Was geht über diese grenze hinaus? - Die jungen leute sind aufständische, radikal genug, ihre eigene revolte zu zerfleischen, systematisch alle gewißheiten, alle anhaltspunkte zu verweigern, um den nullpunkt der verzweiflung zu erreichen.

1925 finden sich die Simplisten in paris wieder. Hier publizieren sie ab 1928 ihre zeitschrift LE GRAND JEU. Vergeblich bemüht sich andré breton, daumal und gilbert-lecomte für die surrealisten zu gewinnen. René Daumal schreibt:

"Sehen Sie sich vor, André Breton, daß Sie später nicht in den Handbüchern zur Literaturgeschichte erscheinen, während wir dagegen, falls wir uns um irgendeine Ehre bewerben, um die werben, für die Nachwelt in die Geschichte der Katastrophen eingeschrieben zu sein."

Drei nummern von LE GRAND JEU erscheinen, die vierte scheitert am geldmangel. 1933 bricht die gruppe auseinander. Roger gilbert-lecomte stirbt 1941 an wundstarrkrampf, René daumal 1944 an tuberkulose.

Die erstausgabe dieser deutschen auswahl aus LE GRAND JEU erschien in der EDITION TIAMAT (nürnberg 1980), bekam eine gewisse bedeutung bei einigen hausbesäzzerInnen in nürnberg, wuppertal und berlin, wurde aber ansonsten nur als fußnote zum (mode-)thema surrealismus rezipiert. Irgendwann war die ausgabe vergriffen.

In manchmal visionärer, spiritueller klarheit waren diese jungen leute zerstörungen, irrwegen, aber auch möglichkeiten ihrer (unserer) zeit auf der spur. - LE GRAND JEU versteht individuelle dialektische metamorphosen als grundlage von revolution (oder revolte). Aus dem blickwinkel einer induktiven, innengeleiteten revolution nehmen diese poetisch-politologischen visionen momente heutiger ideologiekritik voraus. Von daher korrelieren die ungestümen behauptungen der jungen leute mit heterogenen ansätzen wie der DIALEKTIK DER AUFKLÄRUNG (horkheimer/adorno) oder den SITUATIONISTEN um guy debord.

In frankreich, sogar in englischsprachigen ländern hat eine junge avantgarde LE GRAND JEU mittlerweile neu entdeckt. Es gibt eine französische gesamtausgabe, eigene werke der akteure wurden (wieder-)veröffentlicht und ins englische übersetzt. - Und in deutschland?

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