Arthur Rimbaud: ZWEISPRACHIGE WERKAUSGABE

Arthur Rimbaud bei  Autonomie & Chaos, Teil II

Jean Nicolas Arthur Rimbaud (1854 – 1891) gilt er als einer der einflußreichsten französischen Lyriker. Poetische Werke verfaßt hat er allerdings nur zwischen seinem 15. und 20. Lebensjahr. Sein weiteres Leben wurde bestimmt von Reisen (London – Stuttgart – zu Fuß nach Italien – Paris – Wien – Brüssel – Java – Nordeuropa – Alexandria – Hamburg – Italien – Zypern); diese wurden immer wieder unterbrochen durch kurzzeitige Rückkehr nach Charleville, den Ort seiner Herkunft, wo seine Angehörigen lebten. Auf Zypern leitet Rimbaud kürzere Zeit die Arbeiten in einem Steinbruch. 1880 gelangte er nach Aden (im heutigen Jemen) und wurde dort Angestellter einer französischen Firma, die mit Pelzen und Kaffee handelte. Anfang 1891, während eines Aufenthalts in Somalia, bekam Rimbaud starke Schmerzen im Knie. Er liquidierte sein Geschäft und reiste unter großen Strapazen nach Marseille. In einer dortigen Klinik stellte sich heraus, daß er Knochenkrebs hatte und das Bein amputiert werden mußte. Hiernach verbrachte er, auf Genesung hoffend, einige Sommerwochen in Roche, fuhr dann unter Schmerzen wieder in die Klinik nach Marseille. Dort starb er am 10. November 1891.

1873 hatte Rimbaud den Zyklus UNE SAISON EN ENFER veröffentlicht, die einzige von ihm initiierte Buchveröffentlichung, die für ihn zugleich das Ende einer grundlegenden poetischen Lebenshaltung bedeutete. 1874/75 arbeitete er an Reinschriften von Prosagedichten mit der Intention, diese für eine anders orientierte Veröffentlichung zusammenzustellen. Diese Reinschriften wurden (unter dem Titel ILLUMINATIONS) ab 1886 von anderer Hand und ohne Rimbauds Wissen in mehreren Varianten veröffentlicht. Sein Leben als Dichter war spätestens 1876 abgeschlossen. – –

Rimbaud irritiert, verstört, andererseits berühren viele seiner Formulierungen schon beim ersten Lesen unmittelbar. Dazu kommt das frühe Lebensalter, in dem sein Werk entstand, kommt der nur schwer zu verstehende Abbruch seiner literarischen Arbeit in einem Alter, in dem andere Künstler – mit derart hohem kreativen Potential – gerade erst angefangen haben.

Der Einfluß des Werkes sowie auch der mysteriösen Persönlichkeit Rimbauds auf die Dichter des Symbolismus und des Expressionismus war beträchtlich, die Surrealisten mit ihrer Idee des nur vom Unbewußten gesteuerten Schreibens, der écriture automatique, orientierten sich an ihm, in anderer Weise die französische Künstlergruppe Le Grand Jeu. Rimbaud wird auch als bedeutender Protagonist der US-amerikanischen Beat Generation verstanden. Bis heute beziehen sich KünstlerInnen unterschiedlicher Provinienz auf Rimbaud, darunter Henry Miller, Patti Smith und Jim Morrison, Wolfgang Hilbig, Thomas Brasch und Volker Braun.

Nach der ersten umfassenderen Rimbaudausgabe auf deutsch (K. L. Ammer 1907, Einführung Stefan Zweig) wurde 1925 Franz v. Rexroths erste Übertragung vorgelegt. – 1954 veröffentlichte der Limes Verlag Wiesbaden dann die Werkausgabe Franz v. Rexroths. Diese wird hier wiederveröffentlicht, erweitert um die französischen Originaltexte. Gedichte, die bei Rexroth fehlen, wurden hinzugefügt. Die Neuausgabe enthält darüberhinaus Faksimiles, 90 zusätzliche Übersetzungen anderer AutorInnen, einen Exkurs zu Rimbauds Brief an Jules Andrieu (16. April 1874), Abbildungen und ein Nachwort des Herausgebers.

Ältere Lyrikübersetzungen aus größerem zeitlichen Abstand wieder zur Hand zu nehmen, kann durchaus Erkenntniswert haben. Sie bewahren den Blick einer anderen Generation, aus anderen sozialen und gesellschaftlichen Umständen auf das Werk. Blinde Flecke, Ressentiments, Moden gibt es in jeder Generation, nur immer wieder verschiedene. Aber auch besondere Sensibilitäten und Nuancen des Menschseins. So gesehen wäre die vergleichenden Lektüre verschiedener Übersetzungen einzelner Rimbaudtexte vielleicht sogar ideal! – Zum Erkunden von Nuancen Rimbaud'scher Gedichte möchte die ergänzende Aufnahme von Einzelübersetzungen anderer AutorInnen in diese Neuausgabe der Rexroth'schen Arbeit einladen.

Mittlerweile gibt es eine Fülle erläuternder Hinweise zu rätselhaften Stellen seines Werkes, auch innerhalb von deutschsprachigen Werkausgaben. Jedoch bleiben viele Gedichte Rimbauds schwierig, lassen keine eindeutige Interpretation zu – im französischen Original so wenig wie in irgendeiner Übertragung gleich welcher Sprache. Hundert Jahre Rimbaud-Exegese konnten diese Rätsel nicht hinwegerklären.

Weitere Veröffentlichungen zu Arthur Rimbaud erscheinen 2022/23 bei A+C.

(Aus dem Nachwort des Herausgebers)

auc-144-rimbaud-rexroth (pdf 6,7 MB)