Ernst Kaeber: BERLIN 1848

Ernst Kaeber wurde am 2. Mai 1882 in Charlottenburg (heute Berlin) geboren. Er promovierte 1906 an der Berliner Universität. 1908 bestand er die Prüfung für den höheren Archivdienst. 1913 wurde Kaeber zum Stadtarchivar in Berlin ernannt. Er bezeichnete sich selbst 1923 als parteipolitisch auf dem linken Flügel der bürgerlichen Parteien stehend, war Anhänger der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). 1937 wurde er (ohne Zahlung einer Rente) zwangspensioniert, weil er sich nicht von seiner jüdischen Ehefrau trennte. Ab Juni 1945 wurde ihm die Leitung des berliner Stadtarchivs wieder anvertraut. Kaeber, der 1935-54 in Moabit wohnte (Dortmunder Straße 6), begründete im Zusammenhang mit der administrativen Spaltung Berlins das Stadtarchiv Berlin im Westteil neu. Diesem Institut (ab 1951 Landesarchiv Berlin) stand er bis 1955 vor. Er starb am 5. Juli 1961. Seine Urne befindet sich seit 1988 auf dem jüdischen Friedhof Heerstraße.

Ernst Kaebers hier erstmalig wiederveröffentlichte Monographie "Berlin 1848" entstand zur Hundertjahrfeier der Märzrevolution, im Auftrag des Magistrats von Groß-Berlin; sie erschien 1948 in dem seit 1945 bestehenden Aufbau-Verlag Berlin.

Der Autor vermittelt nachvollziehbar die Vielfalt einzelner, unterschiedlicher und divergenter Impulse, Intentionen, Ereignisse, die zu einer eigentlich erst im Rückblick "Revolution" genannten Entwicklung führen können. Die Fülle der auch an das breitere Publikum gerichteten politischen Flugblätter, Einzeltexte und Periodika sowie auch die von Kaeber hingebungsvoll referierten Versammlungen in diesen Jahren zeigen, daß hier nicht nur mehr oder weniger etablierte Vereinigungen und einzelne Intellektuelle politisch engagiert waren, sondern daß die Suche nach menschenfreundlicheren Normen der politisch-gesellschaftlichen Struktur offenbar ein öffentliches Anliegen war, getragen von Bürgern wie Arbeitern, Studenten wie Handwerkern, Beamten und Publizisten, Großgrundbesitzern und (einigen wenigen) Adligen; dazu gehörten auch basisdemokratische Willenskundgebungen.

In der berliner Märzrevolution wurden durch ein breites Spektrum engagierter Einzelner aus allen Bevölkerungsschichten (einschließlich der Arbeiter!) Grundstrukturen einer sozialen demokratischen Gesellschaftsordnung in Deutschland erarbeitet. Kaebers deutliche Sympathie mit dem revolutionären Impuls 1848 hindert ihn jedoch nicht daran, die damals bestehenden Bewußtseins- und Machtverhältnisse angemessen darzustellen, unter denen Demokratisierung und soziale Interessen der Arbeiter den adligen und bürokratischen Interessengruppen unterlagen.

Auch die Veröffentlichung von 1948 selbst ist ein geschichtliches Dokument für die kurze Zeit des politischen Innehaltens nach 1945, bevor im Kalten Krieg das politische Nachdenken über Deutschland für Jahrzehnte ideologisch eingefärbt wurde – im Osten wie im Westen. Kaeber zeigt, daß in der revolutionären Situation 1848 (auch) für Deutschland die historische Chance einer zeitgemäßen demokratischen Ordnung gelegen hat … – eine Chance, die dann in der Kaiserzeit verspielt wurde, die 1918 neu bestand und wiederum verspielt wurde, – eine Chance, die wohl auch nach 1945 bestanden hat. Darin vermute ich eine Intention des Groß-Berliner Magistrats zu dieser Veröffentlichung. Ernst Kaeber zeigt sich in ihr als früher Vertreter eines demokratischen, eines humanen Sozialismus.

"Welche Barrieren eine demokratische Erinnerungskultur an die Berliner Revolution weiterhin zu überwinden hat, zeigt der Blick auf das aktuelle Straßenverzeichnis Berlins: vier Wilhelm-, drei Manteuffel-, zwei Wrangel- sowie nicht zu vergessen: vier Bismarckstraßen, zwei Bismarckplätze und eine Bismarckallee, ferner weitere, nach prominenten Gegenrevolutionären benannte Straßen springen dem Berlin-Touristen beim ersten flüchtigen Blick auf den Stadtplan entgegen. Demokraten des Revolutionsjahres wurden demgegenüber nur ausnahmsweise geehrt. Mit ähnlicher Vehemenz und noch größerem Erfolg sperrt sich die Obrigkeit seit mehr als 150 Jahren gegen Pläne zur Errichtung eines Denkmals für die am 18. März 1848 getöteten Barrikadenkämpfer." – So der Historiker Prof. Dr. Rüdiger Hachtmann. Dem ist nichts hinzuzufügen.

auc-168-kaeber-berlin (pdf 2,6 MB)