Irene Forbes-Mosse: ALTE WEGE GEHN..

Mit Hinweisen auf Vernon Lee

Mit dieser neu zusammengestellten Sammlung erscheint bei A+C die vierte und letzte (Wieder-)Veröffentlichung von Werken der fast vergessenen Dichterin Irene Forbes-Mosse (1864-1946).

Oft liegt der Sinn ihrer Erzählungen in dem mit wehmütig-ironischem Abstand geschilderten Kaleidoskop der "Gegenstände" (wozu auch Umgangsformen, Formulierungen, Begriffe und soziale Konventionen gehören), in denen das Lebensgefühl, die Identität die Personen verwurzelt ist. – Aber es geht darüber hinaus, denn "alles hatte seine heimliche Sprache" – die von den Menschen erspürt werden kann.

Nicht selten geschieht kaum etwas in ihren Texten als das pure Leben. Ja: fast pflanzliches Leben ist es, das eben auch zu uns Menschen gehört oder gehören sollte: entschleunigte Zeit. Forbes-Mosse erzählt vom sozialen Leben kaum anders als von der sogenannten "Natur"; es gibt keine grundsätzlichen Verschiedenheiten zwischen ihren Empfindungen, ob ihr dies oder jenes herzensnah wird – das ist wohl ein Schlüssel zu dem Zauber, den ihre Geschichten in uns wecken. Denn schließlich sind wir ja – praktisch, sinnlich, gegenständlich – Momente dieser Natur.

Irene Forbes-Mosses Geschichten haben keine Moral von der Geschicht', in ihnen spricht Liebe zur Welt, eine zärtliche, achtsame Menschenliebe. Dies nicht in idealistischer Träumerei, sondern in klarem Blick auf all die menschlichen Schwächen, Einseitigkeiten und Unvollkommenheiten, die untrennbar auch zum Leben gehören. Ernst und Spaß gehen bei Forbes-Mosse oft ineinander über: Kaleidoskope des Lebens! Einseitig ist natürlich auch diese Haltung dem Leben, der Menschenwelt gegenüber – wie jede andere.

In hintergründig-versponnener, unaufdringlicher Weise ist sie eine feministische Autorin. Forbes-Mosse schreibt "Frauenbücher" – aber nicht im Sinne der Unterhaltungsliteratinnen, sondern weil sie Frauen zweifellos mehr, nein: subtiler lieben kann als Männer. Die haben in ihrem Werk oft nur eben ihre Aufgaben im Plan der Schöpfung; demgegenüber frappiert, wie selbstverständlich die Welt der Frauen beim Lesen wird: "Le palais des taupes, quoi! Gott, wie es da aussah. Überall lagen die Tanten herum, auf allen Sofas, des vieilles avec des burnous, mit gelben Babuschen an den bloßen Füßen und die Hände voll kostbarer Ringe – und die Nägel gelb von Tabak."

Abgesehen von Gedichten hat Irene Forbes-Mosse erst nach dem Tod ihres Mannes 1904 zu schreiben begonnen, da war sie vierzig. Aus einer unabweisbaren inneren Notwendigkeit, sich auszudrücken, ihr schon aus der Kindheit bezeugtes überreiches inneres Leben zu verwirklichen, aber auch um ihr Leid, den Tod geliebter Menschen, den Verlust der Kindheitsheimat zu verarbeiten, wurde sie zur Schriftstellerin – so darf vermutet werden.

Ein eigenes Gewicht haben ihre Gedichte. Viele von ihnen gehören zur bewahrenswerten deutschsprachigen Lyrik Anfang des 20. Jahrhunderts, obwohl sie zum offiziellen literaturwissenschaftlichen Kanon der "Moderne" nicht passen. Im Gegenteil: diese Gedichte (nicht alle von ihr) schlagen die Brücke zurück bis zu Goethe, sie atmen, sind unprätentiös und nichts weniger als epigonal oder bildungsbürgertümlich.

Eine besondere Bedeutung nahm in Forbes-Mosses Leben die Freundschaft mit der Essayistin und Kunsthistorikerin Vernon Lee ein, deren eigenartiges und kompromißloses Werk (und Leben) im deutschsprachigen Raum kaum rezipiert wurde. Auch deshalb wurden Hinweise zu  Vernon Lee in diese Veröffentlichung aufgenommen.

auc-148-forbes-mosse-alte-wege-gehn (pdf 2,3 MB)