Walther Vetter: DER KAPELLMEISTER BACH

Versuch einer Deutung Bachs auf Grund seines Wirkens als Kapellmeister in Köthen

Die 1950 erschienene Monographie BACH ALS KAPELLMEISTER des Musikwissenschaftlers Walther Vetter (1891-1967) macht Johann Sebastian Bach als künstlerische Persönlichkeit auch für nichtfachliche Musikhörer greifbar in einer Weise, wie es streng philologischen, theologischen oder  geschichtswissenschaftlichen Arbeiten kaum je gelingt. Aus diesem Grund wird das Buch jetzt – 70 Jahre später – online wiederveröffentlicht.

Obwohl Vetters Argumentation den Bezug zur musikwissenschaftlichen Forschung nie verliert (zumindest empfinde ich als Laie dies so), entfaltet sie sich an vielen Stellen zu erfrischender essayistischer Freiheit, dies gerade dann, wenn er einen Zusammenhang aus prima vista inkompatibel erscheinenden Blickwinkeln beleuchtet.

Als Autor musikwissenschaftlicher Auseinandersetzung dürfte Vetter nur noch der Wissenschaftsgeschichte angehören; für mich (der ich Musik nur ganz naiv mit dem Herzen höre) wurde das Buch ein neuer Zugang zur Musik Johann Sebastian Bachs – und wohl auch zu ihrem Komponisten. Walther Vetters Monographie beschränkt sich nicht auf die notwendige musikwissenschaftlich-philologische Dimension. Er begibt sich auf die Suche nach dem Komponisten JSB in seinem künstlerischen Entwicklungsweg, der "schaffenspsychologischen" (Vetter) Dimension. Dies wird an unzähligen Stellen des Buches deutlich. Beispielsweise, wenn er die musikpädagogische Konzeption des Klavierbüchleins für Wilhelm Friedemann erläutert und dabei die Weiterentwicklung dortiger kompositorischer Ideen im Wohltemperierten Klavier einbezieht. Schon der vollständige Titel seines Werkes verweist ja darauf, daß es keineswegs nur um Köthen geht. Walther Vetters Aufmerksamkeit liegt deutlich auf dem gesamten Leben und Wirken Bachs.

Vier Beigaben enthält diese Neuausgabe: Texte des Theologen und Musikwissenschaftlers Friedrich Smend, der Bachforscherin und -interpretin Rosalyn Tureck, der Cembaloforscherin und -spielerin Eta Harich-Schneider sowie des Schriftstellers und Orgelbauforschers Hans Henny Jahnn: unterschiedliche Plädoyers, der sogenannten Alten Musik einen ihnen gemäßen Raum in unserer Zeit zu ermöglichen. Die Standpunkte ergänzen einander durchaus, auch wenn gelegentlich Unvereinbarkeiten im Vordergrund stehen mögen.

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