Christa Anna Ockert: L-TAGE oder: "HITLER WIRD NICHT BEDIENT!"

Was sagen Sie dazu?
           Ich hatte viele Namen.

Fremde in meiner Kindheit konnten nur sehen, wie klein ich war, und sagten Mausi oder Mäuschen. (Großmutter, die mich kannte und nicht unterschätzte, nannte mich so vor dem Kindergarten.)
Ich habe mich früh wie später nicht, wie anzunehmen wäre, in Mauselöcher verkrochen …! Die Pohlings riefen noch "de Kleene", als ich den Lehrlingsschuhen entwachsen war. Doch Mäusel mit sächsischem Zwielaut flüsterte und schmetterte mein geliebter zweiter Mann.
Mutter machte keine Umstände und sagte – wie manche meiner Kolleginnen und Bekannten – Christa. Durch Giga, die Liebkosung meines Bruders Harald vor seiner Schulzeit, war ich hellhörig für das, was im Elternhaus fehlte…
Ich hüpfte in den dreißiger Jahren an Vaters Hand durch Leipzig: Für Kurt Röller und andere seiner Freunde wurde ich Huppegra.
Werner, mein niemals alternder Onkel und erster Märchenprinz, taufte meinen Bruder Claus und mich im Doppelpack – Gustav und Gustl!
Christel war der eingängige Schnörkel von Frauen, die mich so oder so mochten; Nachbarinnen unseres ersten, ausgebombten Hauses oder Mutter Just, Annette T. Rubinstein, Tante Martha und Ruth Schreier. Christeline zupft – sozusagen – liebevoll am Ohr oder wickelt eine Locke um den Finger; wie mein Vater, Tante Käthe und Oberschwester Margarethe.
Das Kurzwort der Schneidereits, meines Verehrers Conny Odd und meines lieben Hary fährt wie ein Cabrio mit offenem Verdeck – Chris! Ich habe Sportsgeist! (Behörden und Passanten wechselten meine Nachnamen wie Reifen: Pietscher, Greschke, Ockert.)
Für Roland, der als Junge Mutti sagte, bin ich Mutter. Wie hätte mich mein Enkel Daniel genannt?

Lernen wir, wenn wir in einen Himmel (oder so etwas) kommen, den Namen kennen und sprechen, den wir uns selbst im tiefsten Herzen gaben…?

Christa Anna Ockert  (9. Dezember 1932 – 22. Oktober 2017)

Christa Anna Pietscher wurde in Leipzig geboren und schloß hier zunächst eine Ausbildung  als Schreibkraft ab. Während ihrer darauffolgenden langjährigen Verwaltungstätigkeit im Uniklinikum Leipzig absolvierte sie ein Studium zum Diplom-Ökonom.
Ab Mitte der 70er Jahre war sie beim VEB Interdruck Leipzig Leiter der Wirtschaftskontrolle.
Die Autorin hatte einen Sohn aus erster Ehe. Ab den 80er Jahren war Frau Ockert in zweiter Ehe mit Erich Ockert verheiratet,  dem damaligen Ersten Solopaukisten  des Gewandhaus Leipzig.
Zur Wendezeit zog das Ehepaar nach Westdeutschland.
Als Witwe lebte Christa Anna Ockert mit ihrem letzten Lebenspartner Hary Guttman in Esslingen/Neckar.
Begraben ist sie in Leipzig.

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