Anne de Tourville: JABADAO

Anne-Marie Jeanne Nouël de Tourville de Buzonnière, die sich Anne de Tourville nannte, wurde geboren am 26. August 1910 in Bais, Ille-et-Vilaine (Bretagne). Sie starb in Vitré, Ille-et-Vilaine am 24. September 2004.
Anne de Tourvilles Geschichte rund um den alten bretonischen Tanz Jabadao liest sich wie die Nacherzählung einer bretonisch-keltischen Legende. Es geht um das ewig menschheitliche Thema: ein Junge und ein Mädchen lieben einander, jedoch sollen sie nicht zusammen kommen, weil sie verschiedenen Schichten und Dörfern angehören. Während wir das Keimen dieser Liebe, ihr Blühen, die bösartigen Gefahren und das glückliche Ende im allerletzten Augenblick verfolgen, werden wir an der Hand genommen und hineingeführt in die halb mythische, halb historische Welt bretonischer Sagen, Symbole und Zeremonien, Kleider und Speisen, Geheimnisse, Tiere und Pflanzen, Gerätschaften, Arbeitsroutinen, Namen, Überzeugungen und Traditionen, zwischen Toten, Naturmächten und Zauberei, Ängsten und Leidenschaften. Eindrückliche Frauengestalten stehen im Mittelpunkt der Erzählung.Vermutlich konnte die Autorin, die ihr Leben lang in ihrer engeren Heimat Ille-et-Vilaine (dem östlichsten Département der Bretagne) blieb, hierfür auf die mündlichen Überlieferungen ihrer Umgebung zurückgreifen. – Aber was wird heute noch davon existieren (außer touristisch funktionalisierter Versatzstücke)?

Ihr Roman erschien in Frankreich 1951 (mit Neuauflagen 1957 und 1979), auf deutsch 1953. Er wurde auch ins Englische, Italienische, Holländische und Portugiesische übersetzt.
Diese einzige deutsche Neuausgabe wird eingeleitet durch einen Text von Seth A'Peara, der sich fast kontrapunktisch bezieht auf Jabadao und doch bei sich bleibt: in wieder anderen Welten.

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Gudrun Tuulia: DIE ERDE IST EIN BEFREMDLICHER ORT. AFRIKA 1

"Wie soll ich sanft sein, wenn rundherum Krieg ist. Sanftheit. Tiger. Pures Sein. Krieger. Schleicher. Unberechenbar. Skorpion. Man lebt allein, man stirbt allein. Vom Zehnmeterbrett in die Leere springen. Durchtauchen und ein goldener Schild aus Licht. Schützend, heilend. Darunter beginnt sich die Wunde zu schließen. Unter einer Pyramide aus Gold und Licht. Uralt. Mir scheint es ewig, dass ich von einer Welt zur anderen wandere, und das ganze ist wie ein einziger langer Tag. Von einem Leben zum nächsten. Nicht anders als die Schuhe zu wechseln. Die letzten paar hundert oder tausend Jahre als Beobachterin und Zeugin, eine Art Auslandskorrespondentin für das universelle Archiv." GUDRUN TUULIA

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Isaak Babel: DIE REITERARMEE

Neu im September 2024

Mit Dokumenten und Aufsätzen
herausgegeben von Fritz Mierau (1968)

Isaak Babelwurde 1894 in eine Familie von jüdischen Händlern in Odessa geboren. Kurz nach seiner Geburt übersiedelte die Familie nach Nikolajew, wo es Babels Vater zu Wohlstand brachte. Im Winter 1905 kehrte Babel nach Odessa zurück und besuchte die Wirtschaftsschule von Odessa, die er 1911 abschloß.
Da ein Studium an der Universität von Odessa wegen der Quote für Juden nicht in Frage kam, ging Babel nach Kiew an das Institut für Ökonomie und Finanzen. 1916 schloß Babel sein Studium ab und zog nach Petrograd (heute: Sankt Petersburg). In der Stadt lernte er den Schriftsteller Maxim Gorki kennen, der einige der Kurzgeschichten Babels in seinem Magazin Letopis (Летопись) veröffentlichte. Gorki gab dem angehenden Schriftsteller den Rat, sich mehr Lebenserfahrung zu verschaffen.

Der Erste Weltkrieg und die darauffolgende russische Revolution veränderten auch Babels Leben vollständig. In den nächsten sieben Jahren kämpfte er im Ersten Weltkrieg an der rumänischen Front und arbeitete für die Tscheka als Übersetzer bei der Spionageabwehr.
Im Jahr 1920 wurde er auf dem Höhepunkt des russischen Bürgerkriegs als Reporter der Reiterarmee des Generals Budjonny zugeteilt.
Verschiedene Geschichten, die später in dem Band DIE REITERARMEE zusammengefaßt wurden, wurden 1924 in Wladimir Majakowskis Magazin LEF ("ЛЕФ") publiziert. Babels ehrliche Beschreibung der Brutalität des Krieges und sein Verzicht auf Beschönigungen brachten ihm eine Reihe von mächtigen Feinden ein, darunter auch General Budjonny. Die Intervention Gorkis verhinderte jedoch eine Vernichtung des Buches, welches bald in verschiedene Sprachen übersetzt wurde.

1930 reiste Babel durch die Ukraine und sah die Brutalität, mit der die Zwangskollektivierung in der Sowjetunion durchgeführt wurde. Als Stalin seinen Griff um die sowjetische Kultur festigte und besonders nach dem Entstehen des "Sozialistischen Realismus" begann Babel sich vom öffentlichen Leben zurückzuziehen Nach einigen vergeblichen Anfragen wurde es Babel schließlich gestattet, ins Ausland nach Paris zu reisen und dort seine Familie zu besuchen. 1935 hielt er eine Ansprache auf dem Kongress antifaschistischer Schriftsteller in Paris. Nach seiner Rückkehr arbeitete er mit Sergei Eisenstein an dem Film Beschinwiese und schrieb an Drehbüchern für weitere sowjetische Filme mit. 1935 erschien sein zweites Theaterstück Marija im Druck. Die scharfen Reaktionen auf die Veröffentlichung führten zum Abbruch der Proben an verschiedenen Theatern. Es wurde an keiner sowjetischen Bühne aufgeführt.

Man verhaftete Babel aufgrund einer Denunziation am 15. Mai 1939. Er wurde beschuldigt, für den Westen spioniert zu haben. Babel wurde während der Verhöre schwer gefoltert und gab schließlich zu, Mitglied einer trotzkistischen Gruppe gewesen zu sein. Am Tag der Gerichtsverhandlung widerrief er das erzwungene Geständnis. Dennoch wurde er am 26. Januar 1940 von einem Tribunal für schuldig befunden und am darauffolgenden Tag im Gefängnis Butyrka erschossen.Babels Witwe Antonina Nikolajewna erfuhr erst 15 Jahre später von seinem Tod – vorher wurde ihr immer wieder die falsche Information gegeben, dass ihr Mann noch am Leben sei – und die volle Wahrheit erst 1988. Seine Manuskripte wurden bei seiner Verhaftung vom NKWD beschlagnahmt und später verbrannt.
Am 23. Dezember 1954 wurde Babel öffentlich von den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen freigesprochen. Dies ermöglichte seiner Witwe die erneute Veröffentlichung seiner erhalten gebliebenen Werke ab 1957.

Isaak Babel war ein radikaler Revolutionär: durch und durch ging es ihm um menschenwürdige Inhalte. Die Frage nach dem Sinn, der Notwendigkeit, der Vermeidbakeit oder Unvermeidbarkeit von Gewalt (auch gegen subjektiv Schuldlose) ließ ihn nicht los. Deutlich wird Babels seelische Zerrissenheit in diesem Kampf, mit dessen grundlegenden Intentionen er ganz und gar identifiziert ist – obwohl er sich zugleich unfähig fühlt, einen Menschen zu töten. Die überragende Bedeutung seiner REITERARMEE liegt auch darin, daß er ein zärtlicher, gewaltloser, nachdenklicher und unbedingt liebevoller Mensch war.In seinem Ringen um adäquaten sprachlichen Ausdruck manifestiert sich möglicherweise auch sein innerer Kampf gegen den Impuls, sich in die revolutionäre Gewalt fallenzulassen (wie es wohl viele gemacht haben): um dem apokalyptischen Schrecken, den er erlebte, doch winzige Momente Menschenwürdigkeit abzugewinnen.

"Mein trübes Poetenhirn verdaute eben den Klassenkampf", schreibt Babel in einer der Novellen – und es kann kaum Zweifel geben, daß der Klassenkampf im konzeptionell definierten Sinn nicht sein Thema war. Auch wenn er auf die russische Revolution hoffte und sie auf seine Weise, mit seinen Möglichkeiten unterstützen wollte. Isaak Babel geht es immer vorrangig um die konkreten Menschen in ihrer kreatürlichen Authentizität, ihrem Leid und ihren Hoffnungen und Sehnsüchten.Selbst gewalttätiges Verhalten, das wir spontan empört ablehnen, wird uns in Babels Darstellung unfreiwillig ein wenig nachfühlbar … Uns wird wieder ein bißchen bewußter, daß alles, was Menschen machen, menschlich ist. Nichts, wovon wir bei Babel lesen, ist uns ganz und gar fremd; aber wie hätten wir uns verhalten in dieser geschichtlichen Situation .. wo wären wir gestanden? Diese Frage ist ein zartes Pflänzchen und geht im allgemeinen unter in dem genauso natürlichen Impuls, eigene Interessen, Empfindungen und Überzeugungen für ein bißchen legitimer zu halten als die Interessen, Empfindungen und Überzeugungen anderer. – Aber ohne mehr Aufmerksamkeit für das uns allen gemeinsame Spektrum menschlicher Impulse wird dieses Hauen und Stechen, dieses "Wie du mir, so ich dir" unablässig weitergehen in der Geschichte der Menschheit.

Die Situation der russisch-ukrainischen Juden in dieser Zeit, in diesem ukrainisch-polnischen Land, zieht sich als Subtext durch die meisten Episoden dieses Zyklus: da sind jüdische Angehörige und Sympathisanten der Revolution, ist die politisch indifferente, oft chassidisch orientierte jüdische Landbevölkerung, da ist der offenbar verbreitete Antijudaismus (Antisemitismus?) in der nichtjüdischen Bevölkerung und da sind die Hinweise auf Judenpogrome als selbstverständlicher Aspekt des sozialen Lebens.

Es gibt auf deutsch etliche Ausgaben der REITERARMEE. Die Relevanz einer Wiederveröffentlichung der Ausgabe in der Reclam Bibliothek Leipzig (1968) lag allein in dem von dem bedeutenden Slawisten Fritz Mierau zusammengestellten Material des Anhangs (einschließlich seiner eigenen subtilen Darstellung der Welt des Isaak Babel). Dieser zweite Teil des Buches ist in seiner Dichte und Vielschichtigkeit ein dokumentarisches Abenteuer für sich! Es vermittelt etwas von Isaak Babels Lebens- und Schaffensernst und der Bedeutung des Babelschen Textes in der Zeit, in der er und für die er geschrieben wurde. Isaak Babels REITERARMEE ist mehr als eine Sammlung mitreißender Novellen in einem ungewöhnlichen Stil: es ist ein geschichtliches Dokument für die Situation in Rußland am Beginn der Sowjetischen Revolution. Als solches gehört es zur europäischen und damit auch zu unserer Geschichte.

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Jürgen Haug: AUFZEICHNUNGEN AUS EINER WANDERER-HERBERGE

Diese 1975 erschienene und hier erstmalig wiederveröffentlichte erzählende dokumentation bietet eine bis heute seltene gelegenheit, selbstempfinden und selbstdarstellung von "pennern", "berbern", "landstreichern" – wie immer wir sie, politisch korrekt oder nicht, nennen wollen, in jedemfall: dauerhaft obdachloser menschen (männer) anhand ihrer mündlichen äußerungen ahnend nachzuvollziehen, – ihre argumentationsmuster, rationalisierungen und bekenntnisse, – um menschen mit solchem schicksal auf diese weise etwas näherzukommen.

In den szenen werden regressive momente deutlich, symptome von psychotraumatisierungen (auch als NS-opfer), kognitive beeinträchtigungen, psychosen, depression, delirium tremens und das ebenfalls alkoholbedingte korsakow-syndrom; kompensation von schlimmen erfahrungen, leid, wut, verbitterung, menschenscheu; selbstunterdrückung und unterwürfigkeit, projizierte selbstverachtung und menschenverachtende, rassistisch-nazistische und sadistische impulse, schwulenhaß, abgestumpftheit, hilflose versuche, sich abzugrenzen, zu profilieren und ein mindestmaß an selbstachtung und identität zu bewahren; verfestigte soziale rollen und inszenierungen, zugehörigkeitsgefühle, feindbilder, loyalitätsreflexe; daneben aber auch selten offenbarte rudimente innerer werte, guter erinnerungen – und verschämte, vorsichtige momente mitmenschlicher solidarität. In aller kumpanei schwingt ein moment von verachtung (und selbstverachtung) mit, aber andersrum genauso.

Jürgen haug berichtet von all dem empathisch und doch nüchtern, ohne voyeuristischen oder diskriminierenden unterton.

Deutlich wird bei manchen männern eine grundlegende getriebenheit, rastlosigkeit und wurzellosigkeit, die immer wieder zum abbruch einer möglichen perspektive geführt haben dürfte. Nicht selten auch flucht und scheinbarer neuanfang als hauptsächliches problemlösungsmuster; manchmal verbunden mit der sehnsucht nach regressivem rückzug aus der welt, die durch die paternalistische versorgung in der herberge teilweise im sinne einer hospitalisierung befriedigt wird. Bei anderen jedoch ist zu ahnen, daß die nichtseßhaftigkeit, das unabhängige herumziehen genuiner ausdruck ihrer individuellen entfaltung geworden ist: selbstbestimmung, abenteuer (in der allzu stark durchreglementierten sozialen umwelt).

Jürgen haug (geboren 1940) begann 1962, sich in der BRD als hörspielautor zu etablieren. Die 'Aufzeichnungen aus einer Wandererherberge' basieren auf erfahrungen, die der autor während seines zivildienstes als wehrdienstverweigerer in einer solchen institution sammeln konnte.
Jürgen haug starb am 2. juli 2012.

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Mondrian w. graf v. lüttichau: WIR INTERNATLER

Für die beiden letzten schuljahre bis zum abitur war ich im internat in heidelberg. Dort entstand rund um mein zimmer ein informelles begegnungszentrum von vorrangig jüngeren internatlern. Gespräche, musikhören, essen, malen und einfach beieinander sein waren die von der internatsleitung akzeptierten aspekte unserer "kommune" (wie das ganze genannt wurde von den beteiligten), schwule begegnungen und (moderater) alkoholkonsum die nichtakzeptierten. – Im mittelpunkt der tagebuchauszüge steht die (in ihrer vielschichtigkeit von erwachsenen meist nicht wahrgenommene) lebendigkeit 11-14jähriger jungen, aber auch die schöne und schwierige liebesbeziehung zwischen jim & mir. In diesen beiden jahren habe ich erkannt, daß männliche menschen keineswegs von natur aus unsensibler sind als weibliche; - die typische seelische abstumpfung vielleicht der meisten erwachsenen männer hat eher mit geschlechtsspezifischer sozialisation und entsprechenden umständen im arbeitsleben zu tun. Deutlich wird in den tagebüchern aber auch, wie schlimm es für die allermeisten internatler ist, in die internatserziehung abgeschoben zu werden von eltern, die offenbar wichtigeres zu tun haben..

Sh. M. Rubin: DIE FAMILIE

DIE FAMILIE ist eine Chronik jüdischen Lebens in Europa, exemplarisch erzählt in Episoden und als Generationenfolge einer fiktiven Familie über 900 Jahre: ein Geschichtsbuch im weitesten Sinne. Es umfaßt in zwei Bänden mehr als 1000 Seiten.

Trotz umfassender Bemühungen fand sich Anfang der 80er Jahre kein deutschsprachiger Verlag für das Manuskript. Stattdessen wurde eine "Sonder-Erstausgabe" herausgegeben. Ein Teil dieser Auflage wurde an Multiplikatoren und Institutionen in der BRD gesandt - mit der Perspektive, auf diese Weise doch die Veröffentlichung in einem Verlag zu erreichen. Auch mit Zeitungsannoncen wurde auf das Projekt aufmerksam gemacht.
1987 erloschen die Bemühungen der Herausgeber. In den folgenden Jahrzehnten gab es keinerlei Öffentlichkeit im Zusammenhang mit diesem Werk.Die Identität des Autors (oder der Autorin) ist nach wie vor unbekannt.Seine oder ihre existentielle Betroffenheit an der Situation des Judentums kann nicht bezweifelt werden. Es kann wohl davon ausgegangen werden, daß er (oder sie) Jude/Jüdin ist. Kein Zweifel ist möglich an der fundamentalen judaistischen Kompetenz des Autors.

In seiner überwältigenden inhaltlichen Fülle ist Rubins Buch Mahnmal für die "Familie" aller Juden und Jüdinnen: ihren Zusammenhang über Zeiten und Länder, über Leben und Tod: ist Klage über die immer neue Zerstörung dieses Zusammenhangs, aber ist auch Frage, inwieweit diese "Familie" heute noch empfunden und gelebt werden kann.

Nachdem seither kein Verlag sich dieser einzigartigen Publikation angenommen hat, erscheint jetzt als einzige Wiederveröffentlichung eine ebenfalls zweiteilige Faksimileausgabe bei A+C online (zum kostenfreien Download). Dieses einzigartige literarische Werk, dessen Entstehungsgeschichte einigermaßen obskur sein und bleiben mag, ist ohne Zweifel ein seriöses, bewahrenswertes Dokument des europäischen Judentums.

Das erste Buch: TOTSCHLAG

auc-172-rubin-totschlag (pdf 34,4 MB)

Das zweite Buch: MORD

auc-173-rubin-mord (pdf 32,2 MB)

William Quindt: GERECHTIGKEIT oder APOKALYPSE DER TIERE

William Quindt (1898 – 1969) kommt aus einer bäuerlichen Familie; er verlor früh seine Eltern und schlug sich ab dem 15. Lebensjahr in verschiedenen Berufen durchs Leben. Schließlich wurde er Journalist, später Pressechef bei großen Zirkusunternehmen wie Sarrasani und Busch, mit denen er Europa bereiste. Weitere Reisen brachten ihn nach Afrika und Indien.
Ab 1932 veröffentlichte er eine Vielzahl von Romanen, die (unter der Kategorie Tiergeschichten und Abenteuerromane) fast ausnahmslos zu Bestsellern wurden . Einige Bücher blieben bis heute dauerhaft lieferbar, vor allem STRASSE DER ELEFANTEN (1939), in dem sich Quindt kritisch mit der Elfenbein-Wilderei auseinandersetzte und eindringlich für den Schutz der Elefanten eintrat.
Die meisten seiner Romane sind nicht zuletzt Allegorien – begründet in verbitterter, resignierter Sehnsucht nach der Möglichkeit authentischen, menschenwürdigen Lebens, wobei im Mittelpunkt fast immer Tiere stehen. Das hier wiederveröffentlichte späte Hauptwerk GERECHTIGKEIT legt den Schwerpunkt ganz und gar auf das Leid der Tiere in einer Welt der Menschen und die Notwendigkeit, sich dieser Zerstörungsnormalität zu widersetzen.
Quindts lebenslange Annäherung an die Welt der Tiere, seine lebenslange Auseinandersetzung mit der Realität der Menschen auf diesem blauen Planeten wird in GERECHTIGKEIT nicht zusammengefaßt (sprich: verallgemeinert), vielmehr entfaltet in all seinen Nuancen.

Der Tiermaler Hans Froment lebt für seine Kunst, Tiere in der Schönheit ihrer Lebenswirklichkeit zu porträtieren. Er erhält den Auftrag, für einen großen Verlag über sechs Jahre in Afrika, Asien und Nordamerika zu reisen, um die dortige Tierwelt für großangelegte Buchveröffentlichungen zu zeichnen und zu malen. Während dieser Reise nähert er sich dem Leben wilder Tiere auf ihrem heimatlichen Kontinent in einer für ihn umwälzenden und irritierenden Weise. Nach der Rückkehr nach Europa wird ihm schrittweise, in unzähligen Situationen, Begegnungen, Konfrontationen (mit Tieren und Menschen) erschreckend deutlich, in welchem Maße Tiere in der Menschenwelt (zumal in der zivilisierten Gesellschaft) mißachtet, versklavt, gefoltert, entwürdigt und zerstört werden. Sacht erkennt er, daß auch in der von einer (scheinbaren) Gemeinsamkeit zwischen Mensch und Tier bestimmten Welt des Zirkus, auch in der Realität von Zoos, selbst im Umkreis des organisierten "Tierschutzes" die Tiere zumeist als Objekte der Menschen benutzt werden. – Diese Zusammenhänge werden von Quindt nicht als Streitschrift publiziert, sondern verwoben in eine romanhafte und zugleich essayistische Erzählung von im Original 732 enggedruckten Seiten.

Verwoben wie in einem rhizomatischen Wurzelwerk sind in diesem wortgewaltigen Buch alle Themen, Assoziationen, Erinnerungen, Reflexionen, und durch alles flutet der Blick auf die legitime Wahrheit der Tiere: nicht abgeleitet von der Wirklichkeit der Menschen. Im Lesen – Satz für Satz, Passage für Passage – entfaltet sich uns ein eigener Blick auf diesen blauen Planeten. Wir erkennen, daß das biblische "Paradies" ja diese Erde gewesen ist! – Die Welt der Tiere ist uns offensichtlich fremder als alle außerirdischen Lebenswelten, die SF-Autoren erfinden: das wird deutlich an Quindts Roman GERECHTIGKEIT, einem Buch, das sich selbst naturwüchsig zu entfalten scheint; dabei ist es Szene für Szene, Gedankengang für Gedankengang folgerichtig aufgebaut bis zur letzten Seite.

Das Buch erschien 1958 , im Jahr 1982 wurde eine stark gekürzte Taschenbuchausausgabe veröffentlicht. Der vorliegenden einzigen Wiederveröffentlichung (2024) unter dem neuen Titel GERECHTIGKEIT oder APOKALYPSE DER TIERE liegt die Originalausgabe zugrunde. Hinzugefügt wurde ein Nachwort , Hinweise auf andere Arbeit Quindts, ein Werkverzeichnis sowie Literaturempfehlungen, außerdem einige Abbildungen.

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